Wir erinnern an Pfarrer Josef König
- Einleitende Worte
Am 13. Mai 1945, fünf Tage nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, starb Pfarrer Josef König, knapp 41 Jahre alt, an den Auswirkungen seiner Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime. Als eines der letzten direkten Opfer des Nationalsozialismus aus der Erzdiözese Freiburg starb er nicht nur weil er Priester war, sondern aufgrund seines christlichen Engagements für seine Mitmenschen, seiner Standfestigkeit in Meinung und Glauben, seines zivilen Ungehorsams, der seinem christlichen Glauben entsprang und der offenen Ablehnung der nationalsozialistischen Verbrechen.
Im Hinblick auf eine lebendige Erinnerung an Geistliche im Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime habe ich mich in meiner universitären Examensarbeit mit dem Leben und Wirken Königs beschäftigt und eine Biographie angefertigt.
Diese Arbeit ist in Kooperation mit dem Erzbistum Köln und der Universität Bonn entstanden und das Institut für Politische Wissenschaft hat diese als Examensarbeit angenommen und bewertet. Für die Anfertigung habe ich neben der Auswertung von Archivmaterial Zeitzeugen befragt.
- Herkunft und Elternhaus:
Geboren und getauft wurde Josef König am 28. Juni 1904 in Hausach. Sowohl sein Vater Josef, der von Beruf Schlossermeister war, als auch seine Mutter Monika, geborene Schmider, entstammten alteingesessenen Familien des Schwarzwaldes. Im elterlichen Haus herrschte ein tiefreligiöser, frommer Geist, der den Entschluss des jungen König, Priester zu werden, früh reifen ließ.
- Jugend: Schulzeit im Konvikt
Ab 1910 besuchte König die Volksschule in Hausach. Da er ein begabter Schüler war und seine schnelle Auffassungsgabe auffiel, erhielt er vom damaligen Vikar der Gemeinde, Alfred Spitznagel, ab 1913 Lateinunterricht. König war durch den zusätzlich erteilten Lateinunterricht in der Lage, ab 1916 in die Untertertia des Friedrich-Gymnasiums in Freiburg einzutreten. Am 30. März 1922 bestand er im Alter von 17 Jahren die Abiturprüfung mit der Gesamtnote gut.
König gehörte zu den Schülern, „die durch ihre gute Entwicklung den Lehrern besondere Freude bereiteten.
- Ausbildung: Theologiestudium und Priesterweihe
Begabung und Fleiß der Schulzeit übertrugen sich auch auf Königs Studium der Theologie.
So verwundert es nicht, dass König eifrig und schnell studierte und bereits als 22-Jähriger am 19. März 1927 die Priesterweihe empfing. Unter größter Anteilnahme seiner Familie und Freunde feierte er diese in Hausach.
- Zwischenstation: Wirken als Vikar (1927–1933)
Nach einer halbjährigen Erkrankung, deren Verlauf ich an dieser Stelle aus Zeitgründen nicht näher ausführen möchte (diese ist jedoch ausführlich in meiner Examensarbeit dargestellt), setzte die Bistumsleitung der Erzdiözese Freiburg König zum 4. Oktober 1927 als Vikar in der Gemeinde Lauf ein. Hier war das Vikariat seit November 1926 nicht mehr besetzt worden, so dass der ansässige Pfarrer Josef Fischer die seelsorgerische Betreuung der weitläufigen Gemeinde seitdem alleine sicherstellen musste.
Unter der Obhut von Pfarrer Fischer zeigte König in seiner ersten Station als Vikar neben seiner pastoralen Arbeit großes gesellschaftliches Engagement in der Gemeinde Lauf. König beschäftigte sich intensiv mit der Jugend. Er initiierte die Gründung des bis heute existierenden Kolping-Vereins im Ort und unterrichtete die jungen Gemeindemitglieder in Gesang und Geigenspiel. Auch die Gründung des ersten Sportvereins war auf Königs Initiative zurückzuführen. Gemeinsam mit Fischer, „zu dem er ein gutes väterliches Verhältnis hatte“, erreichte er, dass auf kirchlichem Gelände der erste Sportplatz angelegt werden konnte.
König konzentrierte sich sehr auf seine Arbeit mit der Jugend und deren Ausbildung an den verschiedensten Musikinstrumenten. Er spielte selbst sieben verschiedene Instrumente und gab sein Wissen an die Dorfjugend weiter. Auch widmete er seinem Hobby der Fotografie viel Zeit. Er hatte sich einen für „die damalige Zeit hochmodernen Photographenapparat“ gekauft und konnte auch hierdurch die Dorfjugend begeistern.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten stand ein Wendepunkt im Wirken Königs in der Gemeinde Lauf, in der er noch bis Februar 1934 als Vikar tätig blieb, und im Besonderen auch für sein weiteres Leben an.
- Verfolgung, Verhaftung und Tod in der Nazidiktatur (1933–1945)
Bald nach der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 wurde die Lage für König gefährlich. Insbesondere durch sein Engagement in der Jugendarbeit geriet er immer wieder in einen offenen Konflikt zu den lokalen Parteiführern und Mitgliedern der NSDAP.
- Konflikte mit Nationalsozialisten und Konsequenzen
Ein Großteil der Jugendlichen, die sich bislang in einem der von König gegründeten Jugendvereine engagiert hatten, war recht schnell zu den NS-Jugendorganisationen gewechselt. Pfarrer Fischer fasste in einem Schreiben an das Erzbischöfliche Ordinariat vom 15. Januar 1934 die Lage in der Gemeinde so zusammen:
„Nun warf sich der Herr Vikar mit ungestümer Lebhaftigkeit auf die Schuljugend, entwickelte in den einzelnen Gruppen der Jungschar einen derartigen Betrieb, daß der Ortsgruppenleiter […] und einige Lehrer mit Fanatismus gegen ihn und die Schulkinder der Jungschar vorgehen: ein gegenseitiger, kleinlicher, persönlicher Kampf wogt hin und her. Ich fürchte sehr, daß in ganz kurzer Zeit etwas gegen König unternommen wird, wenn er nicht versetzt wird. Jetzt könnte man ihn noch in Ehren abziehen lassen. Es würde mir leid tun, wenn er bei den heutigen Verhältnissen unter die Räder und etwa in Schutzhaft käme.“
Im Februar 1934 erfuhr Fischer, dass der Ortsgruppenleiter eine Klageschrift an die Bezirksregierung in Karlsruhe geschickt hatte, in der die Abberufung Königs als Vikar gefordert wurde, weil „er unter der Jugend eine Kampfstimmung schaffe.“ König hatte die katholische Jungschar ermutigt, „in den Wortgefechten [gegen das nationalsozialistische Jungvolk] tapfer mitzuhalten.“ Obwohl Fischer sich erneut für seinen Vikar einsetzte und diesen bei einer Lehrerkonferenz der örtlichen Schule im Februar 1934 verteidigte und die vorhandenen Schwierigkeiten ausgeräumt“ zu haben glaubte, war die Klage des Ortsgruppenleiters letztlich der Grund für die Versetzung Königs.
- Versetzungen durch Nichtanpassung
Das Erzbischöfliche Ordinariat kam mit diesem Schritt einer drohenden Bestrafung Königs, der mit seinem unermüdlichen Einsatz für den Erhalt der katholischen Jugendvereine in Lauf aus Sicht der Nationalsozialisten zu weit gegangen war, zuvor. König sollte auf Anweisung des Erzbischöflichen Ordinariats zum 16. Februar 1934 seine neue Stelle als Vikar in der etwa vierzig Kilometer entfernten Gemeinde Durmersheim antreten.
In Durmersheim änderte König nichts an seinem Verhalten gegenüber den örtlichen nationalsozialistischen Jugendverbänden. Auch hier ermunterte er die in der kirchlichen Jungschar organisierten Jugendlichen, sich nicht vom „Geschwätz der Nationalsozialisten“ beeinflussen zu lassen und verdeutlichte diesen, dass „mit den Nationalsozialisten nicht zu spaßen“ sei. Mit letzterem sprach König „Verbrechen gegen Landsleute an, von denen er im Schweizer Radio gehört hatte.“ So verwunderte es nicht, dass König auch den Nationalsozialisten in Durmersheim auffiel und ihm aufgrund seiner Äußerungen und seines Verhaltens auch hier recht schnell eine Bestrafung drohte. Wiederum kam das Erzbischöfliche Ordinariat dem zuvor und versetzte König bereits nach drei Monaten am 16. Mai 1934 in die etwa 170 Kilometer entfernt gelegene Gemeinde Schweinberg.
Zum 16. Mai 1934 trat König seine neue Stelle als Vikar der Gemeinde Schweinberg an und dort war der ansässige Pfarrer Georg Karl bereits seit längerer Zeit erkrankt, so dass dieser die seelsorgerliche Betreuung der kleinen Gemeinde nicht mehr leisten konnte. Pfarrer Karl hatte das Erzbischöfliche Ordinariat auf diesen Umstand bereits einige Male hingewiesen und war diesem aufgrund der Zuweisung Königs als jungen und engagierten Vikar dankbar. König schritt auch in Schweinberg ebenso tatkräftig voran und realisierte nach kurzer Zeit die Zusammenstellung einer örtlichen Musikkappelle, deren Unterricht er selbst übernahm. Aber auch in Schweinberg sollte König nicht lange bleiben dürfen. Schweinberg war für König die erste Station gewesen, in der er die seelsorgerische Betreuung der Gemeinde, aufgrund der Erkrankung von Karl, weitestgehend selbstständig erfüllt hatte.
In Herrischried, seiner nächsten Station, erwies sich König ebenso wie in Schweinberg als eifriger Seelsorger. Im Oktober 1935 bestand er die Pfarrkonkursprüfung, welche ihn zur Übernahme einer eigenen Pfarrstelle und zur Lehrtätigkeit für die Schule berechtigte. Durch die Erteilung des Religionsunterrichts an Schulen konnte er ein noch größeres Vertrauensverhältnis zu der Dorfjugend aufbauen, geriet jedoch zugleich immer mehr unter Beobachtung der örtlichen Nationalsozialisten.
Seine letzte Station als Vikar trat König zum 16. April 1936 in Langenenslingen an. Hierhin wurde er versetzt, nachdem er sich in Herrischried als selbständig arbeitender und wirkender Geistlicher bewiesen hatte und der in Langenenslingen tätige Pfarrer Franz Pohl an Arthritis erkrankt war. Pohl war es nicht mehr möglich, seinen priesterlichen Tätigkeiten nachzukommen, so dass König auch in Langenenslingen die Seelsorge alleine und selbständig ausübte.
- Übernahme der ersten Pfarrstelle in Nöggenschwiel
Zum 1. Oktober 1937 wurde König zunächst als Pfarrverweser nach Nöggenschwiel im Südschwarzwald versetzt. In Nöggenschwiel war der bisherige Pfarrer Ernst Wetterer nicht mehr tragbar gewesen, da er, ähnlich wie König, in seinen bisherigen Stationen, unter zu große Beobachtung durch die Nationalsozialisten geraten war. Wetterer war insbesondere durch seine Predigten und Gebete für Juden auffällig geworden.
König verdiente sich auch in Nöggenschwiel durch „große Hingabe und Gewissenhaftigkeit“ schnell Respekt, Anerkennung und Beliebtheit bei den Gemeindemitgliedern. Zum 1. Oktober 1939 wurde er zum Pfarrer der Gemeinde Nöggenschwiel benannt und übernahm somit seine erste selbständig von ihm geleitete Pfarrei. In den schweren Kriegstagen, in denen fast alle männlichen Dorfbewohner zum Kampf eingezogen waren, sah König seine Aufgabe nicht nur darin, Seelsorger zu sein, sondern half seinen Gemeindemitgliedern auch bei den landwirtschaftlichen Arbeiten.
Auch in Nöggenschwiel waren es insbesondere die Kinder und Jugendlichen, um die König sich intensiv bemühte.
- Erziehung und Ausbildung der Dorfjugend
König unternahm mit Kindern und Jugendlichen Wanderungen in die Nachbargemeinden, organisierte Wallfahrten und erteilte Musikunterricht.
Auch die von mir befragten Zeitzeugen, die zu Königs Zeiten größtenteils noch Kinder gewesen sind, bestätigen dies und berichten begeistert von König als Musiklehrer.
Neben der Musik begeisterte König die Jugend als moderner, über den Katechismus der katholischen Kirche hinausgehender Pfarrer, der ein Motorrad und einen Fotoapparat besaß. König nahm seinen Fotoapparat zu jedem Anlass mit und fertigte neben Landschaftsfotos Fotografien der Schulkinder und Jugendlichen an, die bis heute existieren. Er entwickelte die Fotos selbst und veranstaltete Diaabende, welche nicht selten von der gesamten Gemeinde besucht wurden. Mit diesem starken Engagement fiel König auf und erweckte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Erziehung der Jugend durch NS-Organisationen eines der wichtigsten Elemente der nationalsozialistischen Ideologie war, Aufmerksamkeit. Hinzu kam, dass König sich beim zuständigen Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten erkundigte, in welchen Fällen eine „Dienstbefreiung für Jugendliche bei der Hitlerjugend“ erwirkt werden konnte, um diesen weiterhin eine aktive Teilnahme an den kirchlichen Aktivitäten zu ermöglichen.
- Aufbau von Schwesternstation, Kindergarten und Nähschule
Im Januar 1939 begann König mit den Planungen, eine Schwesternstation zur Krankenpflege in Nöggenschwiel zu gründen. Bislang war es besonders für Alte und Schwerkranke schwierig, den nächsten Arzt im sieben Kilometer entfernten Bannholz zu erreichen. König organisierte eine Gründungsversammlung für einen katholischen Krankenpflegeverein, mit dem die Schwesternstation finanziert werden sollte. Bei der Gründungsversammlung am 5. Februar 1939 wurde der Einwand erhoben, dass „die Gefahr bestehe, daß die Mitgliedsbeiträge für die NS-Organisationen […] nicht mehr so gut eingehen würden, wenn die Leute jetzt auch noch für den Krankenpflegeverein einen monatlichen Beitrag leisten.“ König ließ sich nicht entmutigen und erkundigte sich schriftlich bei der Gestapo-Leitstelle in Karlsruhe. Er plante sogar, sich an das zuständige Reichsministerium in Berlin zu wenden. Erst als ihm bewusst wurde, dass für die Gründung einer Schwesternstation nicht zwingend die Gründung eines Krankenpflegevereins notwendig war, ließ er von seinem Plan ab, sich beim zuständigen Reichsminister zu beschweren. Er kam zu der Überzeugung, dass „die in den Krankenpflegeverein Eingetretenen auch über das Opferkörbchen in der Kirche Ihren Zuschuß leisten“ würden.
In der Folge organisierte König die Wohnung zur Errichtung der Schwesternstation, kaufte Möbel und ließ die Räumlichkeiten renovieren. Am 20. Mai 1939 war die Geburtsstunde der Schwesternstation, als zunächst zwei, später drei Krankenschwestern aus Gegenbach ihre Arbeit in Nöggenschwiel aufnahmen. König war es gelungen, sich gegen den Widerstand des NS-Regimes, welches „die Einrichtung einer Schwesternstation als nicht wünschenswert“ bezeichnet hatte, mit seinen Planungen durchzusetzen.
Auch die Gründung eines Kindergartens, der zur damaligen Kriegszeit „eine große Entlastung der Mütter […], vor allem, soweit die Männer und erwachsenen Söhne zum Heeresdienst eingezogen sind“, bedeutete, hat König gegen den Widerstand des Regimes realisiert. Der zuständige Landesminister für Wohlfahrt und Jugend hatte auf Königs Antrag, einen katholischen Kindergarten zu gründen, mitgeteilt, dass „die Errichtung von Kindertagesstätten ausschließlich der NS-Volkswohlfahrt vorbehalten ist. Dem Ersuchen kann daher nicht entsprochen werden.“ Trotz dieses Bescheides realisierte König seinen Plan gegen den Einspruch des Regimes, so dass im Sommer 1941, nachdem zuvor Schwesternstation und auch eine Nähschule realisiert worden waren, nun auch ein Kindergarten in Nöggenschwiel existierte.
Ideenreichtum und Durchsetzungskraft Königs fielen nicht nur den Gemeindemitgliedern auf, sondern auch bei den Nationalsozialisten erweckte König hierdurch immer mehr Aufmerksamkeit. Er geriet zusehends stärker unter Beobachtung. Zum Wohle seiner Gemeindemitglieder hat er diesen Umstand jedoch billigend in Kauf genommen. Ein Zeitzeuge bewertet die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für König zutreffend:
„Er hat mit seinem sozialen Engagement angeeckt. Die Errichtung der Schwesternstation, des Kindergartens und der Nähschule waren den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Uns allen haben sie geholfen. Auch bei meinen Verletzungen konnte ich froh sein, dass Krankenschwestern im Ort waren.“
- Einsatz für Kriegsgefangene
In Nöggenschwiel und Bierbronnen wurden zur damaligen Zeit französische Soldaten gefangen gehalten. König fühlte sich für diese als Gemeindepfarrer ebenso zuständig, wie für alle weiteren Mitglieder seiner Gemeinde. Die Gefangenen waren nur nachts interniert und arbeiteten tagsüber in den landwirtschaftlichen Betrieben der örtlichen Bauern. Daher konnten sie sich relativ frei bewegen, so dass König zu ihnen recht schnell Kontakt aufbauen und halten konnte. Eine vom 20. März 1940 erlassene Verfügung des Oberkommandos der Wehrmacht erlaubte Seelsorgern, unter Auflagen zunächst auch Gottesdienste für Kriegsgefangene abzuhalten. König lud die französischen Kriegsgefangenen daraufhin schriftlich in französischer Sprache zu zwei Gottesdiensten vor dem Weihnachtsfest 1940 und nach dem Osterfest 1941 ein. Zur Ostermesse im April 1941 organisiert er ein gemeinsames Frühstück für die Kriegsgefangenen im Pfarrhaus. Mit einer Verfügung vom 12. Mai 1941 wurde den Geistlichen die Ausrichtung von Gottesdiensten jedoch untersagt.
König widersetzte sich dieser Verfügung und sah sich als Pfarrer der Gemeinde Nöggenschwiel auch weiterhin dazu berufen, den Kriegsgefangenen mit der Abhaltung von Gottesdiensten ihr Recht auf seelsorgerliche Betreuung zukommen zu lassen.
Das Risiko einer Bestrafung durch die Nationalsozialisten, welches König zugunsten der Lebensqualität der Kriegsgefangenen bewusst auf sich genommen hatte, wird deutlich, wenn berücksichtigt wird, dass es selbst den Familien, bei denen die Kriegsgefangenen arbeiteten, untersagt war, am selben Tisch mit jenen zu essen. „Mit welchem Argwohn wird dann die Feier der Gottesdienste in den Augen der Nazis betrachtet worden sein.“
- Mut zur Wahrheit: Verhaftungsgrund
Auch Königs Predigten waren häufig politischen Inhalts und befassten sich mit dem Verlauf des Krieges und dem Nationalsozialismus. Hierüber gibt ein „Verzeichnis der in der Pfarrei Nöggenschwiel behandelten Predigtthemata“ Aufschluss. Das Verzeichnis wurde von König selbst angelegt und hat seinen ersten Eintrag am Ostersonntag, den 17. April 1938. Am 3. September 1939 schrieb König in das Verzeichnis „Kriegsbeginn – Gottvertrauen – Mut aus Gottes Wort.“ Wenig später findet sich am 17. September 1939 der Eintrag „Zum Kriegsbeginn – die Flüchtlinge“, und am 24. September 1939 predigte König über „die erste Prüfung – Krieg tötet Kinder.“ Den letzten Eintrag tätigte König bereits am 1. November 1939. In dem Wissen, unter Beobachtung zu stehen, muss er von allen weiteren schriftlichen Eintragungen Abstand genommen haben. Trotz des Fehlens weiterer Quellen steht fest, dass König weiterhin offensiv und mutig gepredigt hat. Dies belegen auch die Aussagen der Zeitzeugen:
„Diese Predigten waren immer politisch. Die Politik hat ihn wahnsinnig belastet. Er hat viele Dinge des Regimes angesprochen und kritisiert. Er hat immer angeprangert, dass in der Politik oft mehr Lug und Trug als Wahrheit erzählt worden ist.“
Ein gewisser Herr Dr. Wilhelm Karsch kam häufig zu den Gottesdiensten, um die Predigten Königs zu hören. Sofern sie politischen Inhalts waren, meldete er dieses schriftlich oder mündlich bei der Gestapo. König stand daher schon längere Zeit unter Beobachtung. Er hatte die Verbrechen, die das NS-Regime im Namen des deutschen Volkes begangen hatte, erkannt und unternahm jeden Versuch, seine Gemeindemitglieder vor weiterem unnötigem Blutvergießen zu bewahren.
Am 2. November 1944 äußerte sich König einer Offiziersfrau gegenüber zum Kriegsverlauf und zu Verbrechen des NS-Regimes. Während des Gesprächs äußerte König offen seine ablehnende Haltung gegenüber dem NS-Regime:
„Er hat damals zu ihr gesagt, dass die Nationalsozialisten nicht viele gute Dinge tun würden, sondern sehr viele grausame Dinge machen würden. Besonders die Judenverfolgung und Judenermordung sei eine Sache, die einem Völkermord gleichkomme. So waren seine Worte damals.“
Auch hat König der Offiziersfrau, Frau Herdey, berichtet, dass „von den Russen in Ostpreußen verübte Verbrechen in Wahrheit von den Deutschen verübt worden seien.“ Dies hatte er ebenfalls im Auslandsradio und in persönlichen Gesprächen mit Soldaten erfahren. Frau Herdey war erschrocken über die Äußerungen Königs und erstattete Herrn Dr. Wilhelm Karsch, der König schon länger beobachtet und seine Predigten mitgeschrieben hatte, Bericht hiervon. Karsch machte umgehend eine Meldung bei der Gestapo in Waldshut und erstattete Anzeige gegen König. Er wurde vorgeladen, verhört und am 23. November 1944 verhaftet.
Der ehemalige Waldshuter Kriminalkommissar, der 1944 die Anzeige gegen König aufgenommen hatte, erklärte später, dass es „sich um zehn oder elf Äusserungen [Königs], die nach dem damaligen Heimtückegesetz als sehr schwerwiegend zu bezeichnen waren“, handelte. König wurde von der Gestapo mehrmals verhört und befragt. Er blieb trotz des Bewusstseins, welche Konsequenzen sich für ihn ergeben könnten, bei seinen getätigten Aussagen.
- Qual: Landgerichtsgefängnis Waldshut
Im Nationalsozialismus waren die „von der Polizei verwalteten Gefängnisse […] Stätten der Ungerechtigkeit und des Verbrechens.“ Auch König musste diese Erfahrung durchleben. Er wurde zwar verhört, jedoch fand aufgrund des fortgeschrittenen Krieges nie ein Gerichtsprozess statt. Der Prozess gegen König wegen Wehrkraftzersetzung war zwar vor dem Sondergericht Freiburg geplant. Der damalige Staatsanwalt Prüfer, der später „als Mitläufer der Nazi-Zeit eingestuft wurde“, wirkte sogar auf seine Freilassung hin. Allerdings forderte der Reichsverteidigungskommissar „eine standgerichtliche Behandlung gerade dieses Falles.“ Ein Prozess gegen König wurde letzten Endes jedoch nicht geführt, so dass er auch nicht rechtskräftig angeklagt und verurteilt worden ist. Trotzdem blieb König in Haft, und die fehlende Norm eines Gerichtsprozesses wurde durch die Maßnahme der Inhaftierung ersetzt.
König musste sich eine Gefängniszelle mit zwei Mitbrüdern, Pfarrer Erwin Dietrich, der einem „holländischen Offizier zur Flucht in die Schweiz verhalf“, und Pfarrer Max Graf, der wegen seiner Predigten verhaftet worden war, teilen. Dietrich, der einzige Überlebende der drei Inhaftierten, schilderte nach dem Krieg das gemeinsame Leben der drei Pfarrer in der Zelle:
„Wir bekamen eine Zelle, die dreieinhalb Meter Umfang hatte. Als dann Pfarrer Graf nach Dachau kam, bekamen König und ich eine Zelle, die um einen Meter schmäler war. Diese Zelle hatte nur ein Bett […]. Der andere legte seine Matratze auf den Boden. […] Das war das Zimmer, das als Wohn-, Ess- und Schlafzimmer und zugleich als Kapelle und Klosett diente.“
Ebenso war es Dietrich, der nach dem Krieg von Herrn Königs gesundheitlich angeschlagenem Zustand berichtete. Dieser hatte sich im kalten Winter durch einen Bombenangriff im Februar 1945, durch den das Gefängnisfenster der Zelle zerstört worden war, noch verschlimmert:
„Pfarrer König war mir schon seit etwa zehn Jahren bekannt. […] Ich lernte ihn aber erst im Gefängnis näher kennen. Bei Beginn der Haft fiel mir auf, dass Pfarrer König, der schon einige Wochen vor mir in das Gefängnis kam, gegenüber seinem früheren Aussehen blass war. Er hatte gesundheitlich gegenüber seinem früheren Aussehen stark abgenommen.“
In diesem körperlich geschwächten Zustand wurde König gemeinsam mit Dietrich am Morgen des 23. April 1945 aus der Gefängnishaft entlassen. Die französischen Truppen waren kurz davor, in Waldshut einzumarschieren, so dass die örtlichen Nationalsozialisten alle politischen Gefangenen entließen.
- Tod
Nach genau fünfmonatiger Haft kam er frei und kehrte zurück nach Nöggenschwiel. Hier sah er seine erste Aufgabe darin, eine weiße Friedensfahne am Kirchturm zu befestigten. Auch nahm er direkt Kontakt zu einigen Kindern und Jugendlichen im Dorf auf, um mit diesen die Musikproben wieder aufzunehmen. Hierzu sollte es jedoch nicht mehr kommen. König war nicht nur körperlich geschwächt, sondern aufgrund des Gefängnisaufenthaltes und der hier erlittenen Qualen auch psychisch angeschlagen. Ein Zeitzeuge berichtet, dass seine Mutter erzählt habe, „dass etwas nicht stimmen würde mit ihm. Er würde sich so merkwürdig verhalten und würde sich schämen dafür, dass er im Gefängnis war.“
König brach schließlich am 4. Mai 1945 zusammen und wurde mit einem „akuten Schub einer Schizophrenie im Krankenhaus Waldshut aufgenommen.“ Auf dem Weg ins Krankenhaus hat König „einen französischen Soldaten an den Kragen gepackt und hat zu ihm gesagt, lass mich in Ruhe, du bist doch ein Nazi.“ Hieran lässt sich seine geistige Verwirrung aufgrund erlittener Folter durch die Nationalsozialisten ablesen. König verstarb am 13. Mai 1945 im Waldshuter Krankenhaus. Der behandelnde Arzt beschrieb Königs schlechten Zustand:
„Der Patient war […] weder örtlich noch zeitlich, noch räumlich orientiert. […] Am 13.5.45 verstarb er unter den Anzeichen einer Kreislaufschwäche, nachdem zuvor höheres Fieber aufgetreten war.“
Die Frage, ob Königs Tod ursächlich durch die Haftfolgen oder aber aufgrund des erneuten Ausbruchs einer früheren Krankheit eingetreten ist, wurde in einem psychiatrischen Gutachten des Direktors der Psychiatrischen Nervenklinik der Universität Freiburg, Herrn Professor Doktor Behringer, erörtert. In seinem abschließenden Bericht kommt Behringer diesbezüglich zu dem Schluss:
„Ein ursächlicher Zusammenhang der Psychose mit der körperseelischen Belastung durch die vorausgegangene Verhaftung und die fünfmonatige Haft ist nach den heutigen wissenschaftlichen Auffassungen zu einer begründeten Wahrscheinlichkeit zu erheben.“
Auch Königs Mitgefangener Dietrich führt dessen Tod auf die seelischen Qualen zurück, die er in der Haft erlitten hat. Für ihn „besteht kein Zweifel, dass sein Tod als Folge der Gefängnishaft eingetreten ist.“ Die von der Gestapo „ausgegangenen psychischen und seelischen Leiden waren eine zu große Belastung für sein Gemüt.“ König war ein Opfer der Zeitverhältnisse geworden. Er litt und starb, weil er „die Wahrheit über Nazi-Verbrechen gesagt hatte. Weil er so gegen die schamlose Verletzung des natürlichen und christlichen Sittengesetzes durch die Nationalsozialisten protestiert hatte, ja zuletzt, weil er seinen Dienst als katholischer Priester treu, unbeeinflusst vom braunen Zeitgeist, erfüllt hatte.“
HIER WOHNTE
PFARRER
JOSEF KÖNIG
JG. 1904
VERHAFTET 1944
GEFÄNGNIS WALDSHUT
TOT AN HAFTFOLGEN
13.5.1945
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