Pfarrer Josef Keller – der rätselhafte Tod
In der Bischoff Chronik ist vermerkt:
„Am 12. Februar 1868 wurde morgend Herr Pfarrer Keller als Leiche aus der Kinzig gezogen. Tags zuvor war er in Haslach, bestellte bei seiner Rückkunft im Bahnhofhotel Schmider für nächsten Sonntag für seine Confrates ein Eßen und ging heimwärts. Seine Freunde glaubten auf einen gewaltsamen Tod schließen zu müßen. Im Kinzigtäler erschien eine Polemik zwischen dem Herrn Kaplan und einem Herrn F. in Hausach, der Trunkenheit annahm.
Aktenmäßige Angaben zufolge ging Pfarrer Keller nach einem Aufenthalt von 2 Stunden im Bahnhofhotel heimwärts. Es war eine stürmische regnerische Nacht. Noch in der Nacht wurde nach ihm gesucht und er wurde am anderen Morgen mit unerheblichen Schürfungen gefunden, die durch Streifen an den Steinen des stark fließenden Flußes verursach waren. Uhr und Börse fehlten nicht. Hosen und die Träger waren abgelöst. Keller war 1930 in Zell a. H. geboren, hatte Stellen in Oberkirch, Wollmatingen und Hofweier und kam 1866 nach Hausach. Der Tod des Pfarrers erregte bei den herrschenden Parteigezänken in jener Zeit eine große Aufregung“.
Dr. Heinrich Baumann hat nach Zeitungsberichten recherchiert, die wir abgeschrieben haben und nachfolgend wiedergeben:
Badischer Beobachter, 1860-1935 10.03.1868 (No. 59)
Aus dem Kreis Offenburg, 7. März. Nicht lange vor dem Wahltage für das Zollparlament, 18. Febr., fand man den Leichnam des kath. Pfarrers von Hausach, Hrn. Josef Keller, in der Kinzig. Es war dies am 11. Febr. Die üblichen gerichtsärztlichen und amtlichen Erhebungen hatten stattgefunden, welche sich für Tod durch Verunglückung aussprachen. Die Beerdigung des Hrn. Pfarrers Keller fand dann hierauf in der feierlichsten Weise unter einer außergewöhnlich großen Theilnahme Leidtragender statt. Kaum hatte sich die Erde über dem Sarge des Verewigten zum Leichenhügel geformt, so erschien in der alten „Badischen Landeszeitung“ Nr. 39 vom 15. Febr. Ein höchst boshafter Schmähartikel gegen den verstorb. Pfarrer, d.d. Hausach den 12. Febr., wahrscheinlich geschrieben noch ehe die Leiche unter dem Boden ruhte.Auf fragl. Artikel schon damals zu antworten, war uns unterbreitet worden. Während dem Geräusche des Wahlkampfers aber wollten wir diese Sache, von der wir nach den uns zugekommenen Mittheilungen glauben erachten zu dürfen, daß sie eine gewisse ernste Seite hat, nicht zur Besprechung bringen. Wir holen dis nun nach, die Besprechung des Falles durch diese kurze Erwähnung eröffnend. In Bezug auf die von uns betonte gewisse ernste Seite wolle man genau Benachrichtigungen über die Umstände, durch welche es kommen soll, daß Stimmen in der öffentlichen Meinung lautbar werden, die in Bezug auf das Verunglücktsein des Pfarrers Keller Zweifel verbreiten, an den „Bad. Beobachter“ gelangen lassen.
Badischer Beobachter 1860 – 1935 15.3.1868 (No. 64)
Aus dem Kreis Offenburg. (Den + Pfarrer Keller von Hausach betr.) Der Schmäh-Artikel der „Bad. Landesztg.“, von dem wir in unserer ersten Mittheilung in Nr. 59 des „Beob.“ gesprochen, lautet:
„Hausach, 12. Febr. Am 6. Juli v.J. wurde der Tagelöhner Gebhard Breithaupt von hier in einer Lettgrube verschüttet und verlor das Leben. Dieser Mann war sehr arm, aber rechtlich und fleißig. Pfarrer Keller von hier verweigerte nicht nur die Beerdigung, sondern untersagte auch das übliche Gebet für den Verstorbenen, weil derselbe vor seinem schnellen Tode nicht mehr mit den heil. Sacramenten versehen worden und deßhalb schon von Gott gerichtet sei. Der Bruder des Verunglückten brachte aber dem Herrn Pfarrer den Beweis mittelst Zeugen bei, daß Gebhard Breithaut am Josephstage gebeichtet und Communiciert habe. Pfarrer Keller fragte hierauf den Zeugen Ziegelmeister Valentin Borho, was er glaube: ob der Verstorbene im Himmel dem Fegfeuer oder in der Hölle sein könne? Zeuge erwiederte, daß wenn es dem Verstorbenen ganz schlecht gegangen sei, so werde er höchstens im Fegfeuer sein. Nachdem diese Aussage von dem eifrigen Kirchenlichte zu Protokoll genommen war, wurde Stillschweigen anbefohlen und die Beerdigung vorgenommen. Gestern Abend nun ging dieser musterhafte Seelsorger, nachdem er, wie so oft, etliche Schöppchen getrunken hatte, vom Bahnhof nach Hause, fiel aber unterwegs, wahrscheinlich in Folge eines Fehltritts, in das Wasser und ertrank. Da es demselben auch nicht mehr möglich wurde, vor seinem Ende zu beichten, so wird er nun wahrscheinlich das Loos des armen Breithaupt theilen. Moral: Richte nicht, auf daß Ihr nicht gerichtet werdet!“ (Bad. Landesztg. Nr. 39 vom 15.Febr.)
Auch die „Freib. Ztg.“ brachte vor. Monat einen in gleicher Tendenz gehaltenen Artikel gegen den verunglückten Pfarrer Keller von Hausach. Was nun das Thatsächliche betrifft, welches dazu benützt wurde, dem katholischen Priester einen solchen lieblosen Nachruf auf das frische Grab zu legen, so hat sich der Verfasser des Artikels in der „Landesztg.“ eine grobe Entstellung und Unwahrheit zu Schulden kommen lassen. Wahr an der Sache ist nur, daß der verstorbene Pfarrer, wie es die kirchliche Vorschrift von ihm verlangte, Erhebung darüber machte, ob Taglöhner Breithaupt seine Ostercommunion erhalten habe oder nicht. Als die Bejahung hergestellt war, erfolgte das kirchliche Begräbnis. Alles, was in der „Landesztg.“ über den Fall weiter gesagt ist, die ganze boshafte Ausschmückung, ist rein erlogen. Das Gleiche gilt auch in Bezug auf der persönlichen Ausfälle gegen den „musterhaften Seelsorger“ in dem Landeszeitungsartikel. Die, wie wir hören, neuerdings in den Gang kommende Untersuchung wird herausstellen, wie es sich mit den „etlichen Schöppchen“ verhält, die der Pfarrer Keller „wie so oft“ getrunken hatte. Auf jeden Fall war Pfarrer Keller nicht so, wie er in der „Landesztg.“ Gemalt wurde; dafür geben die allgemeine Theilnahme, das folenne Leichenbegängniß, die an seinem Grabe vergossenen Thränen der Pfarrangehörige, und die Trauer der ganzen Kirchspielgemeinde Hausach Zeugniß.
Im Ganzen fragen wir für heute nur, was dazu gehört, einen solchen Artikel wie der obige ist, gegen ein verunglückten Prister zu veröffentlichen, in dem Augenblicke, wo hunderte weinen dessen Grab umstehen? Sollte das keine Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sein?
Badischer Beobachter. 1860 – 1935 1868 7.4.1868 (No. 82)
Aus dem Kreise Offenburg, 1. April. (Den + Pfarrer Keller von Hausach betreffend.) Erst jetzt kommt uns die Nummer 65 der „Freiburger Zeitung“ vom 17. März zu Gesiaaht, in welcher gegen unsere Besprechung, die wir Ihrem Blatte zugeschickt haben, polemisiert wird. Erlauben Sie, daß wir, mit Rücksicht auf den Raum Ihres Blattes in möglichster Kürze, uns nochmals darüber äußern: Es ist dem in der „Freib. Ztg.“angezogenen Artikel der „Bad. Landeszeitung“ gesagt: „Der Bad. Beobachter“ hat in neuester Zeit einen wiederholten Anlauf genommen, um in dem vorliegenden Unglücksfall ein von fremder Hand verübten Verbrechens zu wittern und in seiner löblichen Manier Besserunterrichtete zu schmähen.“ In diesem Satze drückt unseres Erachtens es sich aus. Wessen Geistes Kind der Correspndent der „Bad. Landeszeitung“ sein mag, der über den betreffenden Fall einige angeblicche actenmäßige Mittheilungen gibt. Wir haben in unseren beiden wohlbedachten Auffsätzen, die in dem „Badischen Beobachter“ erschienen sind, auch nicht in der leisesten Weise auf „Besserunterrichtete“ hingezielt, von Schmähungen solcher kann daher keine Rede sein, und noch viel weniger sind wir von blindem Parteieifer geleitet, wid der Landeszeitungs-Correspondent gegen Schluß seines Artikels glaubt hinwerfen zu müssen. Erst durch diesen letztere Äußerung sind wir auf den Gedanken geführt worden, daß der Parteihaß möglicherweise bei dem dunkeln Talle des Pfarrers Keller irgendwie in das Spiel gekommen sein könnte; in welcher Beziehung des nothwendig frappieren mußte, daß der Artikel in der „Badischen Landeszeitung“ sichtlich von einem Parteistandpunkte aus eine Abwehr und Betheidigung übernehmen wollte gegen nicht vorhandene Beschuldigung, gegen nicht ausgesprochenen Verdacht. Es erscheint uns dies als ein gewissermaßen verdachtserweckendes Moment an dem obgedachten Artikel der „Bad. Landes Ztg.“, besonders wenn wir den früheren vom 12. Febr. Damit zusammenhalten. Lassen wir überigens das für heute. Die inzwischen fortgesetzten Recherchen haben unsere Überzeugung nur bestärken können, daß Pfarrer Keller nicht auf seinen eigenen Füßen in die Wellen der Kinzig gekommen sein konnte. Es ist auf die glaubwürdigste Weise dargethan, daß Pfarrer Keller nicht, wie der Correspndent der „Landeszeitung“ angibt, „als er Abends in die Bahnhofrestauration trat, schon durch verworrene Reden und eigenthünliches Vernehmen der Eindruck hervorgerufen, als ob er betrunken sei. Seine constatirte Aufgeräuömtheit in jenen Augenblicken läßt im Gegentheile auf andere Umstände zurückführen. Wenn Jemand, der „wie so oft etliche Schöppchen Bier zwei Stunden lang sich verweilt, hat es die entschiedenste Unwahrscheinlichkeit gegen sich, daß Solcher hiervon demaßen betrunken wird, daß er statt auf der breiten gewohnten Straße fortzugehen, in ein schmales, rückwärts liegendes Seitenpfädchen einlenkt, und durch Hecken und Stauden in die Kinzig läuft. Der neuerliche Artikel in der „Landeszeitung“ polemisch gegen uns gerichtet, sagt im Gegensatz zu der Angabe im Artikel aus Hausach vom 12. Febr., nach den gemachten Erhebungen sei Pfarrer Keiller kein Gewohnheitstrinker gewesen, und gerade aus diesem Grund erkläre es sich am einfachsten, daß derselbe ein Gläschen über den Durst wie er es am Abend seines Todes genommen zu haben scheine nicht habe vertragen können – also so sehr berauscht gewesen sein mochte, daß er, an statt auf gerader breiter Straße, welcher, wie wir meinen, durch hundertmaliges Vergehen mit verbundenen Augen hätte müssen finden und verfolgen können, sich nach Hause zu begeben, verirrt und auf die räthselhafteste Weise in die Kinzig gerathen wäre. Die Ansicht von der starken Trunkenheit des Pfarrers Keller scheint unmittelbach nach Auffindung seiner Leiche so sehr im Vordergrunde gestanden, und durch den Umstand, daß man an seinem Körper keine Merkmale äußerer Gewaltthat fand, bestärkt worden zu sein, daß man einen anderen Erklärungsgrund nich zu suchen veranlaßt war, und das gerichtsärztliche Verdict als „im Rausche verunglückt“ (nach unserem Dafürhalten etwas zu vorschnell/, ausfiel. Daß die Kleider des Pfarrers Keller an seinem Leichnam aufgeknöpft und der Hosenträger losgelöst waren, auch die goldene Uhr und Börse sich vorfanden, vermögen wir nicht in der Weise zu deutenö, wie es der von der „Frg. Zg.“ Citirte neuerliche Artikel der „Landeszeitung“ thut; ein Criminalist, falls ein solcher an Ort und Stelle gewesen wäre, hätte wahrscheinlich diesen Umstand zu tiefer gehenden Studien gemacht. Wir ließen uns sagen, daß von Seiten der Gerichtsbehörde, die in solchen Fällen eintretende unmittelbare Erhebung der Umstände, die Localinspection, unterblieben sei, wodurch die nachträgliche Untersuchung, welche hoffentlich das Dunkel über den unfreiwilligen Tod des Pfarrers Keller aufhellen wir, sehr erschwert ist. Schließlich kommen wir wieder auf die Parteifärbung zurück, welche dieser Sache von Seiten des Landeszeitungs-Correspondenten aufgedrückt werden will. Es lag und liegt uns ferne, indem wir glauben, eine verbrecherische That muthmaßen zu dürfen, in solcher Richtung einen bestimmten Verdacht zu hegen, geschweige solchen anzudeuten. Pfarrer Keller kann immerhin, aller Wahrscheinlichkeit entgegen, ohne fremder Zuthunsein Leben verloren haben; möglich ist aber auch, daß er Opfer der Privatfeindschaft oder des Parteihasses geworden.Hierüber eine positive Meinung auszusprechen, und namentlich das grausige Wort, daß es seinem Stande gegolten haben könne, würden wir als eine unverantwortliche Gewissenslosigkeit ansehen. Das sei fern von uns. Wir gehen nur darauf aus, beuzutragen, daß das Rätselhafte und Verdächtige des Falles nicht einschlummere, und die volle Wahrheit an den Tag gebracht werde.
Badischer Beobachter. 1960 1935 1868 20.05.1868 (No. 117)
Von der Kinzig, 14.Mai. (Den + Pfarrer Keller von Hausach betreffend.)
Folgendes brachte (25. April) der „Kinzigthäler“:
Hausach. Öffentliche Mahnung. Es kam mir unlängst zu Ohren, daß meine Frau in betrunkenem Zustande, was nicht selten der Fall ist, zu geschwätzigen Weibern und sonstigen Klatschern sagte, ich hätte den verstorbenen Hrn. Pfarrer Keller in den Bach geworfen, was ich somit öffentlich bekannt mache mit dem Beifügen, daß diejenige Person, welche meiner Frau, die überdies schon vielmal Verläumdungen und sonstige Verdächtigungen über mich ausgestoßen, Glauben zu schenken gedenkt, sich mit Namen zu erkennen geben möchte, damit ich die Sache bei zuständiger Behörde zur Erledigung bringen kann. Zugleich warne ich Jedermann, unbegründete Aussagen vorzubringen, indem er sich die Unannehmlichkeiten zuziehen wird, vor Gericht belangt zu werden; denn ich werde allen Verdächtigungen entschieden entgegentreten.
Matthäus Jehle.“
Es beweist dies, daß über die Todesart des verstl. Pfarrers Keller immer noch Gerüchte gangbar sind.