Ein Munitionszug explodiert
Es war ein kalter Wintermorgen um 9:30 am 16. Dezember 1944, als die Hausacher Feuerwehr alarmiert wurde.
Ein Proviantzug der Wehrmacht mit 43 Wagen kam mit überhöhter Geschwindigkeit von Triberg die Schwarzwaldbahn herunter und konnte wegen eines Bremsendefekts weder die Geschwindigkeit verringern noch in einer Station anhalten. In Hausach musste der Zug auf ein anderes Gleis ausweichen. Beim Überfahren der Weiche ist die Lokomotive umgestürzt. Die Wagen haben sich ineinandergeschoben und fingen Feuer. Ab Triberg standen die Feuerwehren zum eventuellen Einsatz bereit. Als die Hausacher Feuerwehr mit der Brandbekämpfung beginnen wollte, mussten schon beim ersten Wagen die Löschmaßnahmen eingestellt werden, denn diese waren mit Munition, Karbit, Verpflegung und sonstigem Heeresbedarf für drei Divisionen beladen, was heftige Explosionen verursachte. Bei dem Unfall sind der Lokführer, der Heizer, Zugbegleiter und zwei Begleitsoldaten ums Leben gekommen. (Bericht Wilhelm Kienzle, Ratsschreiber)
Hier eine wörtliche Wiedergabe des Protokolls:
„Protokollbuch des FFW Hausach – 20.12.44 (Das Unglück ereignete sich nach Aussage einer Zeitzeugin bereits am 16.12. – vermutlich wurde das Protokoll erst am 20.12. geschrieben).
Am Vormittag um ½ 9 Uhr wurde die Wehr durch die Eisenbahn alarmiert. Am Bahnhof war ein großes Eisenbahnunglück geschehen. Ein Güterzug, dem die Bremsen versagten, schlug es aus der Weiche und kippte um. Dadurch sind viele Wagen ineinandergeschoben worden.
In 2 Wagen war Munition enthalten, die nun durch dauernde Explosion in die Luft flog.
Dadurch war ein sofortiges Eingreifen der Wehr nicht möglich. Das in dem Zug gewesene Personal der Eisenbahn und die militärische Begleitung der Munition konnte nur noch als verkohlte Leichen geborgen werden. Nach abflammen der Explosionen wurden die Löscharbeiten aufgenommen. Die Haslacher und Wolfacher Feuerwehr war ebenfalls alarmiert. Nachdem der Hauptbrand gelöscht war, zogen die auswärtigen Wehren wieder ab.
Der Brand war jedoch durch einen umgekippten Kohlenwagen und die dadurch entstehende glühende Kohlenmasse nicht zu löschen.
Man kam sehr schlecht an den Brandherd heran und dadurch waren die Arbeiten sehr behindert. Eine Person wurde beim Bahnhofhotel durch Splitter verletzt. Die Lafettenmotorspritze lief ohne Unterbrechung den ganzen Tag bis am anderen Morgen.
Von der Wehr musste für die Nacht ein Löschzug gestellt werden der auch noch den anderen Tag über in Funktion blieb. Sodann wurde zur Bekämpfung des Brandes nacheinander die Wehren von Gutach, Wolfach, Schiltach, Hornberg und zuletzt noch die Eisenbahnfeuerwehr von Offenburg eingesetzt. Es dauerte also von Mittwoch (20.12.) bis Sonntag (24.12.), bis der Brand endgültig gelöscht war“.
Beim Unfall wurde getötet:
Max Fränzel, Reichsbahn Zugführer, geb. am 15.08.1895 in Ehrenfridrichsdorf Kreis Annaberg, wohnhaft bei Dresden. Beerdigt auf dem Hausacher Friedhof. Er wurde 49 Jahre alt.
Georg Klipfel, Lokomotivführer, geb. 01.01.1897 in Weisweil, verh., wohnhaft in Offenburg. Die sterblichen Überreste wurden am 23. 12. Nach Offenburg überführt. Er wurde 47 Jahre alt.
Robert Hellenbrand, Reichsbahn Lokomotivheizer in Offenburg, geb. 17.09.1908 in Kehl, verh., wohnhaft in Offenburg. Auch sein Tod wurde am 21.12. durch Dr. Hehslöschl bestätigt. Die sterblichen Überreste wurden ebenfalls am 23. 12. Nach Offenburg überführt. Er starb mit 38 Jahren.
Die drei Todesbescheinigungen wurden am 20. bzw. 21.12. durch Dr. Hehslöchl ausgestellt, der eine zweite Leichenschau für nicht erforderlich hielt.
Aussagen von Zeitzeugen, die nicht genannt werden möchten.
Gespräch am 19.02.2012:
„Ich hatte damals gerade Klavierstunde, als es furchtbar krachte. Ich konnte mir keinen Reim daraus machen. Später erfuhr ich natürlich von dem Unglück. An der Unfallstelle war ich nicht“. NN
Gespräch am 23.12.2012:
„Über das Unglück weiß ich nicht mehr als schon bekannt. Bekannt ist mir nur, dass sich im Bereich „Insel“ Flakstellungen befanden. Bei Bombenangriffen wurde unser Haus beschädigt. Mit den Nachbarn wurde es nachts notdürftig mit Blechen von Mannesmann gedeckt. Mein Vater, Eisenbähnler, starb an Verwundungen, die durch Splitter bei Bombenangriffen verursacht wurden. Mittel gegen hierdurch verursachte Infektionen standen damals nicht zur Verfügung“. NN
Gespräch am 23.02.2012 mit einer damals um die 20 Jahre alten und heute (2015) noch lebender Zeitzeugin:
„Das Unglück ist mir noch gut in Erinnerung. Unser Elternhaus befand sich in der Nähe der Unglückstelle.
Die Unglücksweiche befand sich etwa zwischen dem oberen Stellwerk und der Verbindungsbrücke Eisenbahnstraße/Wilhelm-Zangen-Straße.
Es war ungefähr zwischen 7:00 Uhr und 8:00 Uhr morgens, wir befanden uns in der Kirche beim Gottesdienst für Verstorbene, als es furchtbar krachte. Wir sind sofort nach Hause gelaufen, jedoch nicht auf der Straße, sondern über Felder und Matten, entlang des Gewerbekanals/Inselstraße. Die Haupt- bzw. Eisenbahnstraße war gesperrt.
Zu Hause angekommen, durften wir das Haus nicht durch den seitlichen Haupteingang betreten, sondern mussten den der Eisenbahnstraße abgewandten Nebeneingang benutzen. Es war bereits alles abgesperrt. Panzersoldaten in grauer Unform waren im Einsatz (vermutlich von einer im Bahnhofsbereich stationierten Einheit, oder von den Flakmannschaften, die in Hausach stationiert waren). Die Läden zur Straße hin mussten wir schließen. Es flog immer wieder schrill pfeifend Munition durch die Luft.
Das Zug- und Begleitpersonal war tot, vom Lokführer lag der zerfetzte Leib neben der Lok, ohne Gliedmaßen. Ein völlig verkohlter Leichnam lag in der Lokomotive, vermutlich der des Heizers. Es war von ca. fünf Toten die Rede.
Ein Soldat konnte sich am Nachmittag noch selber retten, er kroch verletzt aus einem Wagen.
Im Hotel „Weises Lamm“ waren Flüchtlinge aus dem Rheinland untergebracht. Eine Frau wurde durch Splitter verletzt.
Die anderen Güterwagen waren beladen mit Marketenderware wie z.B. Stoffballen für Anzüge und Hemden, Wolle zum Spinnen, Zahnpasta, Zahnbürsten u. v. a. m. Das nicht verbrannte Material wurde von der Bevölkerung an sich genommen.
Ein Güterwagen war mit Mastschweinen beladen. Sie waren alle verkohlt.Noch Tage lang zogen Tränengasschwaden durch das Quartier. Rund eine Woche lang flammte das Feuer immer wieder auf“.
NN
Helmut Selter erwähnt noch in einem Artikel im Schwabo vom 28.2.1985, dass sich neben der Munition auch noch Karbid befunden habe. Auch berichtet er vom Tod eines Stabsadjutanten und zweier Soldaten.
(Helmut Meyerhöfer)