D’ Holzsägi vum Giige-Michel (Ludwig Geiger)
Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Krieg tuckerte noch die alte Sägemaschine durch die Kleinstadt zu den Bürgern, die ihren jährlichen Klafter Holz in richtiger Länge gekürzt haben wollten. Die von den Waldbesitzern gelieferten 4 Ster Rundholz waren pro Stück jeweils 1Meter lang und wurden in der Regel vom Haus- bzw. Wohnungsinhaber selbst ofengerecht gespalten, nachdem der Säger sein Werk getan hatte. Vier Schnitte pro Rolle waren das übliche Vorgehen, wenn die ratternde Maschine erst einmal lief. Während des Krieges und danach waren Diesel und Benzin streng rationiert und deshalb der Antrieb der Säge ein Elektromotor. Zu diesem Zweck hing am Rahmen des Gefährts eine schwarze 4-fach-Kabelrolle, mit der von den häuserverbindenden Freileitungen in Dachhöhe Strom abgezapft wurde.
Der schnurrbärtige Säger war ein Meister der Improvisation, nicht nur, dass er aus dieselsparenden Gründen die kürzesten Verbindungen zwischen den einzelnen Kunden wählte, sondern auch, dass er das dieselbetriebene Fahrzeug selbst gebaut hatte (mit Schlosserhilfe wahrscheinlich), das eigentlich nur aus einer Bandsäge mit fahrbarem Untersatz bestand, Lenkrad und Notsitz inklusive.
War die ratternde Kiste vor dem Holzstoß platziert, begann die gefährlichste Phase, nämlich der Anschluss der vier Gummikabel an die hoch hängende Freileitung.
Nach Abschätzung der Leitungsdicke (“Ja, das könnte der Null-Leiter sein“) steckte er 4-5 gleichlange Holzstäbe zusammen, hängte oben den kupfernen Anschlusshaken eines Kabels ein und balancierte die schwankende Stange vorsichtig nach oben an den vermeintlichen Null-Leiter, meistens beim ersten Versuch hängte er das Kabel ein. Ebenso verfuhr er mit den restlichen drei Kabeln zu den stromführenden Phasen.
Wenn dann beim Einschalten des Drehstrommotors das untere Antriebsrad sich drehte, war der Anschluss gelungen.
Zuvor musste aber noch eines der vorhandenen Bandsägeblätter entfaltet und auf die Räder gespannt werden. Sobald die zwei notwendigen Helfer parat standen, begann die eigentliche Arbeit. Der Sägetisch wurde mit einem Pinsel alten Öls beträufelt, ein Helfer (üblicherweise männlich) reichte die Meterrollen auf den Tisch und der Giigemichel sägte flott drauf los. Die gesägten 5 Stücke wurden von meist weiblichen Helfern schnell vom Tisch genommen und irgendwie zur Seite gefeuert, wo sie später an einer Wand aufgestapelt oder bald darauf mit Axt und Beil gespalten wurden.
War der ganze Klafter gesägt, was meist keine Stunde dauerte, wurden die Kabel einzeln heruntergeschlenkert und zusammengerollt, der bescheidene Obolus bezahlt und die Straße gefegt.
Das Sägemehl wurde während des Vorgangs in einer flachen Kiste aufgefangen und für den häuslichen Räucherschrank verwendet.
Die Sägetermine weiterer Kunden wurden immer per mündliche Boten übermittelt, Telefone waren ganz selten im Ort und Handys noch lange nicht erfunden. Junge Laufburschen aber gab es genug. Bei Kirchenfesten und Platzkonzerten der Stadt- und Feuerwehrkapelle konnte man den Geiger Ludwig bei seinem Hobby sehen bzw. hören, wenn er bei diesem Blasorchester Tenorhorn spielte.
(Lothar Sonntag 2012)